Freitag, 4. September 2015

| Musikgebrabbel #3 || Linkin Park, 03.09.2015 Berlin, Stadion an der Alten Försterei



„Linkin Park“ ist eine Band die man einfach kennt, auch wenn man sie vielleicht nicht mag. Spätestens durch die Tatsache dass diese Band die Titellieder der ersten drei „Transformers“-Filme beigesteuert hat sind sie bekannt geworden. Wenn man nicht vorher schon auf sie gestoßen ist, weil sie nämlich vorher schon geniale Musik gemacht haben (vielleicht sogar ihren Höhepunkt gehabt haben).

Viele sind der Meinung, dass die Band nicht mehr so gut ist wie früher, aber das war mir herzlich egal. Als ich mitbekommen habe, das Linkin Park ein Konzert in Berlin geben wird, war ich sofort Feuer und Flamme und fragte einen Arbeitskollegen, ob er mitkommen würde. „Linkin Park geht immer!“ war seine Antwort. Also bin ich in der Pause schnell hochgeflitzt und habe zwei Konzertkarten gekauft.

Wir haben uns also um 17.00 Uhr am Alexanderplatz getroffen und sind dann einmal quer durch die Stadt gedüst. Ich war vorher noch nie in der alten Försterei und wir hatten auch leichte Probleme das Stadion zu finden. Eigentlich, war unser Plan der Meute nachzulaufen, dumm nur dass wir sie sofort aus den Augen verloren haben. Das Stadion an der Alten Försterei ist, für alle die es nicht wissen, das Stadion des 1. FC Union Berlin. Das Linkin Park Konzert war das erste Konzert überhaupt, welches dort gegeben wurde und ich gehe davon aus, dass sie nicht die Letzten waren. Eine bombastische Akustik!

Angekommen, Getränke gekauft und sich am Merchandising-Stand durch die Menge geboxt, um dann erstmal fast eine Stunde rumzustehen und sich zu unterhalten. Danach durfte ich dreißig Minuten lang den Toilettentanz aufführen. So eine lange Schlange gab es nicht mal bei diesen Footballspiel, bei dem ich letztes Jahr war. Anscheinend habe ich auch einen Magneten, die wollten nämlich alle auf die andere Seite der Schlange, an der Stelle an der ich stand.

Danach sind wir dann reingegangen. Wir hatten Stehplätze und was ist das Erste was man macht, wenn man in der Kozerthalle oder dem Stadion ankommt? Genau! Man setzt sich auf den Boden. Da hat mich der Gruppenzwang gepackt. Ich weiß ja nicht wie es euch geht, aber das Schlimmste an Konzerten ist dieses endlose Gewarte. Wir haben auch keine vierzig Grad mehr. Sprich: mir war kalt und ich musste schon wieder auf die Toilette.

Dann kam die Vorband „Lower Than Atlantis“. Mein Kollege und ich waren skeptisch, mussten wir doch an die Vorband von „All Time Low“ damals denken, die wir einfach nur grauenvoll fanden. Die ersten Klänge hallten durch das Stadion und Basti und ich sahen uns beifällig nickend an. Irgendwie hatte die Band was von „Volbeat“, die wir beide ausgesprochen gut finden. Wir haben geklatscht und geschrien und haben einfach mitgemacht. Wir haben diese neue Band auf uns wirken lassen und sind beide zu dem Schluss gekommen, dass wir sie mögen. Mein Kollege hat sich noch schön darüber aufgeregt, dass die Typen hinter uns einfach nicht den Mund halten konnten. Aber es stimmte auch. Warum gehe ich auf ein Konzert, wenn ich am Ende eh nur Bier trinke und mich todlabere? Da bin ich in einer Bar doch viel billiger dran!

Jedenfalls, gab es dann nach der Vorband nochmal eine Pause. Wie gesagt, das Stadion ist die Heimat des 1. FC Union Berlin und es waren viele Unionfans da. Die Meute in den Tribünen hat Stimmung gemacht, Sprechchöre angestimmt, während wir uns grinsend umgesehen haben.

Nach minutenlangem Gepfeife und Geklatsche (gut, eine halbe Stunde) kam dann Linkin Park auf die Bühne. Zum Glück, haben die Typen hinter uns nun den Mund gehalten. Es ging sofort los. Eine geniale Akustik, eine klatschende Menge und Lichteffekte begleiteten das erste Lied. Wir haben die Hände in die Luft gestreckt, sind auf und ab gesprungen und haben die Musik auf uns wirken lassen. Ich weiß, das klingt immer relativ langweilig und im Prinzip ist es ja immer dasselbe. Aber: in einer Menschenmenge zu stehen und die Musik zu spüren ist nochmal eine ganz andere Erfahrung als Musik zu hören.

In diesen Momenten denkst du an nichts. Die Musik jagt dir durch den Körper, du spürst die E-Gitarre, die Drums. Wenn du ein Songtextfanatiker bist, so wie ich, dann hörst und spürst du diesen Songtext. Um dich herum heben alle die Arme, schmettern alle dasselbe Lied, während auf der Bühne ein paar Menschen rumspringen und Instrumente spielen. Die Lichter blinken, beleuchten die Menschenmasse, während alle anfangen im Takt zu klatschen. Die Arme über den Kopf gestreckt, volle drei Minuten lang. Zwanzigtausend Menschen, die alle dasselbe tun, alle im Einklang miteinander sind, weil sie alle dasselbe hören und sehen, aber vielleicht aus völlig unterschiedlichen Gründen mitsingen. Der Refrain fängt an, die Musik wird schneller, die E-Gitarre ist deutlich rauszuhören, während Chester Bennington ins Mikrofon kreischt oder brüllt oder stöhnt, keine Ahnung wie der Typ diese unmenschlichen Laute rauskriegt. Vor dir, hinter dir, neben dir springen die Menschen auf und ab. Völlig fremde Menschen legen sich gegenseitig die Arme um die Schultern und springen und klatschen. Wie kann einen das nicht faszinieren?

Zum Glück haben nicht so viele ihr Handy draußen gehabt. Für was gehe ich auf ein Konzert, wenn ich eh nur am Handy hänge? Damit ich eine, vielleicht, einmalige Gelegenheit versäume eine Band live zu sehen und sie mir dreißig Jahre später in miserabler Qualität angucken kann? Packt doch die Handys weg! Singt, klatscht und springt mit. Das ist viel, viel besser.

Es wurde ein Song nach dem Anderen geschmettert, einer besser und intensiver als der Andere. Das Publikum hat mitgemacht. Man hat der Band angesehen, dass sie Spaß haben. Gefühlte tausend Mal haben sie gesagt, wie sehr sie Berlin lieben.

Nach ungefähr der Hälfte, die schon geil war, kam dann die zweite Hälfte. Die Band hat ihre älteren Lieder eher zum Schluss gespielt, beziehungsweise in der zweiten Hälfte. Doch vorher spielten sie Iridescent“, die Meisten holten ihre Feuerzeuge raus oder schalteten ihre Taschenlampe im Handy an und wedelten damit durch die Luft, dazu wurde die Menge in ein sanftes orangenes Licht getaucht, während die vorderen Reihen synchron weiße Luftballons rumwedelten. All das war ein so beeindruckendes Bild, begleitet von diesem Songtext.

Do you feel cold and lost in desperation?
You build up hope, but failure’s all you’ve known
Remember all the sadness and frustration
And let it go. Let it go

Ähh, ja. Ich musste ordentlich schlucken um da nicht die Beherrschung zu verlieren. Als dann, am Ende des Songs alle Instrumente einsetzten und immer wieder „Let it go“ gesungen wurde, von Band und Publikum und alle ihre weißen Ballons losließen und diese teilweise gen Himmel schwebten, teilweise von der Menge immer wieder in die Luft gestoßen wurden, da hab ich dann doch die Beherrschung verloren und ein, zwei oder fünf Tränen vergossen. Jedoch, habe ich mich in diesem Moment super gefühlt. Es waren eigentlich eher Freudentränen, weil ich mich so unglaublich gut mit dem Songtext identifizieren konnte. Ich habe geweint, weil ich weiß, dass ich losgelassen habe. Nicht nur auf diesem Konzert, sondern im Leben.

Danach erklangen die ersten Töne von „Numb“ und ich habe genauso laut wie alle anderen gebrüllt. Meiner Meinung nach, ist dieses Lied eines der Besten, welches die Band jemals produziert hat. Ich fand es schon immer genial, wie Mike Shinoda am Anfang ein bisschen rappt und dann gebrüllt wird: „What the hell are you waiting for?“ Keine Ahnung wieso, aber diesen Moment fand ich schon immer absolut episch. Es haben alle mitgesungen, sind gesprungen, haben getanzt. Das war, glaube ich, auch das Lied als der bekiffte Typ vor mir anfing seine Dancemoves auszupacken und wir nicht mehr konnten vor lachen.

Es folgte ein Lied nach dem Anderen. An sich hat die Band wenig mit dem Publikum kommuniziert. Aber, seien wir mal ehrlich: ich bezahle um die Musik zu hören, nicht dass die mit mir labern. Das ist jedenfalls meine Ansicht. Klar, Stimmung machen und sich bedanken – alles schön. Aber die müssen mir nicht ihre Lebensgeschichte erzählen, das kann ich auch googeln, sollte es mich interessieren.

Überrascht hat mich aber dass „Breaking the Habit“ gespielt wurde. Ich meine irgendwo mal gehört/gelesen zu haben, dass Chester Bennington das Lied nicht mehr singen will, weil es zu viele Erinnerungen zurückbringt. Wie dem auch sei, ich will mich nicht beklagen. Immerhin ist dieses Lied mein absoluter Favorit der Band.

Dann kam „In the End“ und dieses Lied fand ich ja schon immer absolut genial. Zum einen gefällt mir der Aufbau des Songs einfach, zum Anderen ist es DAS Lied, welches Linkin Park auf Konzerten spielt. Jeder kennt es, jeder macht mit. Das Publikum hat Mike Shinoda nicht mal rappen lassen, dass haben wir lieber selber gemacht. Es gibt eine Stelle, die seit einigen Jahren jedes Mal nur das Publikum singt und ich war einfach nur absolut begeistert, wie wirklich alle den Einsatz geschafft haben und die Zeilen geschmettert haben, während sie auf und ab sprangen, klatschten und einfach nur im Moment lebten. Für solche Momente lohnt es sich zu leben. Eingekeilt zwischen singenden Fans, die ihre Energie abbauen, gute Laune haben und tanzen. Es gibt definitiv schlimmere Situationen.

Nach zwei oder drei weiteren Liedern gingen dann die Lichter aus. Volle Zehn Minuten haben sie uns klatschen und pfeifen lassen. Es gab Sprechchöre die eine Zugabe verlangten. Und wie wir die bekommen haben. Ein Rapsolo, welches einfach nur gute Laune verursacht hat. „What I've done“, begleitet von einer euphorischen Menge, die gar nicht mehr an sich halten konnte. Und das Finale. „Bleed it out“, einmal komplett der Song und dann hat Chester mit dem Publikum gesungen. Leider, war die Menge ein wenig zu euphorisch und hat den armen Kerl nicht mal seine Tonfolge zu Ende singen lassen, bevor sie schon losschmetterte und es ihm nachtat. Der Refrain wurde immer schneller gespielt, es wurde immer schneller geklatscht. Publikum und Band schien sich gegenseitig herauszufordern, wer als Erstes aufgibt. Zehn Meter von uns entfernt, schmiss ein Vollidiot seinen Bierbecher in die Menge, als das Konzert zu einem krönendem Abschluss kam. Ein Speaktakel aus Licht, Musik und Gefühl.

Danach ging es realtiv schnell Richtung Ausgang. Ich boxte mich nochmal bis zum Stand vor und erwarb eine schöne kuschelige Jacke. Dann liefen wir durch einen beschissenen Wald zurück und hatten keine Peilung wo wir waren. Im Zweifelsfall der Menschenmasse folgen! Als wir die Hauptstraße runterliefen, wichen wir noch zwei Typen aus, die sich anbrüllten und kurz vor einer Prügelei standen und kauften uns überteuerte Getränke im nächsten Dönerladen.

Nach Jahren habe ich es dann auch mal geschafft auf ein Linkin Park Konzert zu gehen. Damit habe ich mir einen kleinen Traum erfüllt. Es wird definitiv nicht mein letztes LP-Konzert gewesen sein. Ich wusste ja, dass die Band live gut ist, aber das sie so extrem genial live sind, war mir nicht klar. Großes Kompliment und ein Abend, an den ich mich (auch ohne Handyvideos) noch viele, viele Jahrzehnte erinnern werde.




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