„Linkin
Park“ ist eine Band die man einfach kennt, auch wenn man sie
vielleicht nicht mag. Spätestens durch die Tatsache dass diese Band
die Titellieder der ersten drei „Transformers“-Filme
beigesteuert hat sind sie bekannt geworden. Wenn man nicht vorher
schon auf sie gestoßen ist, weil sie nämlich vorher schon geniale
Musik gemacht haben (vielleicht sogar ihren Höhepunkt gehabt haben).
Viele
sind der Meinung, dass die Band nicht mehr so gut ist wie früher,
aber das war mir herzlich egal. Als ich mitbekommen habe, das Linkin
Park ein Konzert in Berlin geben wird, war ich sofort Feuer und
Flamme und fragte einen Arbeitskollegen, ob er mitkommen würde.
„Linkin Park geht immer!“ war seine Antwort. Also bin ich in der
Pause schnell hochgeflitzt und habe zwei Konzertkarten gekauft.
Wir
haben uns also um 17.00 Uhr am Alexanderplatz getroffen und sind dann
einmal quer durch die Stadt gedüst. Ich war vorher noch nie in der
alten Försterei und wir hatten auch leichte Probleme das Stadion zu
finden. Eigentlich, war unser Plan der Meute nachzulaufen, dumm nur
dass wir sie sofort aus den Augen verloren haben. Das Stadion an der
Alten Försterei ist, für alle die es nicht wissen, das Stadion des
1. FC Union Berlin. Das Linkin Park Konzert war das erste Konzert
überhaupt, welches dort gegeben wurde und ich gehe davon aus, dass
sie nicht die Letzten waren. Eine bombastische Akustik!
Angekommen,
Getränke gekauft und sich am Merchandising-Stand durch die Menge
geboxt, um dann erstmal fast eine Stunde rumzustehen und sich zu
unterhalten. Danach durfte ich dreißig Minuten lang den
Toilettentanz aufführen. So eine lange Schlange gab es nicht mal bei
diesen Footballspiel, bei dem ich letztes Jahr war. Anscheinend habe
ich auch einen Magneten, die wollten nämlich alle auf die andere
Seite der Schlange, an der Stelle an der ich stand.
Danach
sind wir dann reingegangen. Wir hatten Stehplätze und was ist das
Erste was man macht, wenn man in der Kozerthalle oder dem Stadion
ankommt? Genau! Man setzt sich auf den Boden. Da hat mich der
Gruppenzwang gepackt. Ich weiß ja nicht wie es euch geht, aber das
Schlimmste an Konzerten ist dieses endlose Gewarte. Wir haben auch
keine vierzig Grad mehr. Sprich: mir war kalt und ich musste schon
wieder auf die Toilette.
Dann
kam die Vorband „Lower Than Atlantis“. Mein Kollege und ich waren
skeptisch, mussten wir doch an die Vorband von „All Time Low“
damals denken, die wir einfach nur grauenvoll fanden. Die ersten
Klänge hallten durch das Stadion und Basti und ich sahen uns
beifällig nickend an. Irgendwie hatte die Band was von „Volbeat“,
die wir beide ausgesprochen gut finden. Wir haben geklatscht und
geschrien und haben einfach mitgemacht. Wir haben diese neue Band auf
uns wirken lassen und sind beide zu dem Schluss gekommen, dass wir
sie mögen. Mein Kollege hat sich noch schön darüber aufgeregt,
dass die Typen hinter uns einfach nicht den Mund halten konnten. Aber
es stimmte auch. Warum gehe ich auf ein Konzert, wenn ich am Ende eh
nur Bier trinke und mich todlabere? Da bin ich in einer Bar doch viel
billiger dran!
Jedenfalls,
gab es dann nach der Vorband nochmal eine Pause. Wie gesagt, das
Stadion ist die Heimat des 1. FC Union Berlin und es waren viele
Unionfans da. Die Meute in den Tribünen hat Stimmung gemacht,
Sprechchöre angestimmt, während wir uns grinsend umgesehen haben.
Nach
minutenlangem Gepfeife und Geklatsche (gut, eine halbe Stunde) kam
dann Linkin Park auf die Bühne. Zum Glück, haben die Typen hinter
uns nun den Mund gehalten. Es ging sofort los. Eine geniale Akustik,
eine klatschende Menge und Lichteffekte begleiteten das erste Lied.
Wir haben die Hände in die Luft gestreckt, sind auf und ab
gesprungen und haben die Musik auf uns wirken lassen. Ich weiß, das
klingt immer relativ langweilig und im Prinzip ist es ja immer
dasselbe. Aber: in einer Menschenmenge zu stehen und die Musik zu
spüren ist nochmal eine ganz
andere Erfahrung als Musik zu hören.
In
diesen Momenten denkst du an nichts. Die Musik jagt dir durch den
Körper, du spürst die E-Gitarre, die Drums. Wenn du ein
Songtextfanatiker bist, so wie ich, dann hörst und spürst du diesen
Songtext. Um dich herum heben alle die Arme, schmettern alle dasselbe
Lied, während auf der Bühne ein paar Menschen rumspringen und
Instrumente spielen. Die Lichter blinken, beleuchten die
Menschenmasse, während alle anfangen im Takt zu klatschen. Die Arme
über den Kopf gestreckt, volle drei Minuten lang. Zwanzigtausend
Menschen, die alle dasselbe tun, alle im Einklang miteinander sind,
weil sie alle dasselbe hören und sehen, aber vielleicht aus völlig
unterschiedlichen Gründen mitsingen. Der Refrain fängt an, die
Musik wird schneller, die E-Gitarre ist deutlich rauszuhören,
während Chester Bennington ins Mikrofon kreischt oder brüllt oder
stöhnt, keine Ahnung wie der Typ diese unmenschlichen Laute
rauskriegt. Vor dir, hinter dir, neben dir springen die Menschen auf
und ab. Völlig fremde Menschen legen sich gegenseitig die Arme um
die Schultern und springen und klatschen. Wie kann einen das nicht
faszinieren?
Zum
Glück haben nicht so viele ihr Handy draußen gehabt. Für was gehe
ich auf ein Konzert, wenn ich eh nur am Handy hänge? Damit ich eine,
vielleicht, einmalige Gelegenheit versäume eine Band live zu sehen
und sie mir dreißig Jahre später in miserabler Qualität angucken
kann? Packt doch die Handys weg! Singt, klatscht und springt mit. Das
ist viel, viel besser.
Es
wurde ein Song nach dem Anderen geschmettert, einer besser und
intensiver als der Andere. Das Publikum hat mitgemacht. Man hat der
Band angesehen, dass sie Spaß haben. Gefühlte tausend Mal haben sie
gesagt, wie sehr sie Berlin lieben.
Nach
ungefähr der Hälfte, die schon geil war, kam dann die zweite
Hälfte. Die Band hat ihre älteren Lieder eher zum Schluss gespielt,
beziehungsweise in der zweiten Hälfte. Doch vorher spielten sie
„Iridescent“,
die
Meisten holten ihre Feuerzeuge raus oder schalteten ihre Taschenlampe
im Handy an und wedelten damit durch die Luft, dazu wurde die Menge
in ein sanftes orangenes Licht getaucht, während die vorderen Reihen
synchron weiße Luftballons rumwedelten. All das war ein so
beeindruckendes Bild, begleitet von diesem Songtext.
Do
you feel cold and lost in desperation?
You
build up hope, but failure’s all you’ve known
Remember
all the sadness and frustration
And
let it go. Let it go
Ähh,
ja. Ich musste ordentlich schlucken um da nicht die Beherrschung zu
verlieren. Als dann, am Ende des Songs alle Instrumente einsetzten
und immer wieder „Let
it go“ gesungen
wurde, von Band und Publikum und alle ihre weißen Ballons losließen
und diese teilweise gen Himmel schwebten, teilweise von der Menge
immer wieder in die Luft gestoßen wurden, da hab ich dann doch die
Beherrschung verloren und ein, zwei oder fünf Tränen vergossen.
Jedoch, habe ich mich in diesem Moment super gefühlt. Es waren
eigentlich eher Freudentränen, weil ich mich so unglaublich gut mit
dem Songtext identifizieren konnte. Ich habe geweint, weil ich weiß,
dass ich losgelassen habe. Nicht nur auf diesem Konzert, sondern im
Leben.
Danach
erklangen die ersten Töne von „Numb“
und ich habe genauso
laut wie alle anderen gebrüllt. Meiner Meinung nach, ist dieses Lied
eines der Besten, welches die Band jemals produziert hat. Ich fand es
schon immer genial, wie Mike Shinoda am Anfang ein bisschen rappt und
dann gebrüllt wird: „What
the hell are you waiting for?“
Keine Ahnung wieso, aber diesen Moment fand ich schon immer absolut
episch. Es haben alle mitgesungen, sind gesprungen, haben getanzt.
Das war, glaube ich, auch das Lied als der bekiffte Typ vor mir
anfing seine Dancemoves auszupacken und wir nicht mehr konnten vor
lachen.
Es
folgte ein Lied nach dem Anderen. An sich hat die Band wenig mit dem
Publikum kommuniziert. Aber, seien wir mal ehrlich: ich bezahle um
die Musik zu hören, nicht dass die mit mir labern. Das ist
jedenfalls meine Ansicht. Klar, Stimmung machen und sich bedanken –
alles schön. Aber die müssen mir nicht ihre Lebensgeschichte
erzählen, das kann ich auch googeln, sollte es mich interessieren.
Überrascht
hat mich aber dass „Breaking
the Habit“ gespielt
wurde. Ich meine irgendwo mal gehört/gelesen zu haben, dass Chester
Bennington das Lied nicht mehr singen will, weil es zu viele
Erinnerungen zurückbringt. Wie dem auch sei, ich will mich nicht
beklagen. Immerhin ist dieses Lied mein absoluter Favorit der Band.
Dann
kam „In the End“
und dieses Lied fand ich ja schon immer absolut genial. Zum einen
gefällt mir der Aufbau des Songs einfach, zum Anderen ist es DAS
Lied, welches Linkin Park auf Konzerten spielt. Jeder kennt es, jeder
macht mit. Das Publikum hat Mike Shinoda nicht mal rappen lassen,
dass haben wir lieber selber gemacht. Es gibt eine Stelle, die seit
einigen Jahren jedes Mal nur das Publikum singt und ich war einfach
nur absolut begeistert, wie wirklich alle den Einsatz geschafft haben
und die Zeilen geschmettert haben, während sie auf und ab sprangen,
klatschten und einfach nur im Moment lebten. Für solche Momente
lohnt es sich zu leben. Eingekeilt zwischen singenden Fans, die ihre
Energie abbauen, gute Laune haben und tanzen. Es gibt definitiv
schlimmere Situationen.
Nach
zwei oder drei weiteren Liedern gingen dann die Lichter aus. Volle
Zehn Minuten haben sie uns klatschen und pfeifen lassen. Es gab
Sprechchöre die eine Zugabe verlangten. Und wie wir die bekommen
haben. Ein Rapsolo, welches einfach nur gute Laune verursacht hat.
„What I've done“,
begleitet von einer
euphorischen Menge, die gar nicht mehr an sich halten konnte. Und das
Finale. „Bleed it
out“, einmal
komplett der Song und dann hat Chester mit dem Publikum gesungen.
Leider, war die Menge ein wenig zu euphorisch und hat den armen Kerl
nicht mal seine Tonfolge zu Ende singen lassen, bevor sie schon
losschmetterte und es ihm nachtat. Der Refrain wurde immer schneller
gespielt, es wurde immer schneller geklatscht. Publikum und Band
schien sich gegenseitig herauszufordern, wer als Erstes aufgibt. Zehn
Meter von uns entfernt, schmiss ein Vollidiot seinen Bierbecher in
die Menge, als das Konzert zu einem krönendem Abschluss kam. Ein
Speaktakel aus Licht, Musik und Gefühl.
Danach
ging es realtiv schnell Richtung Ausgang. Ich boxte mich nochmal bis
zum Stand vor und erwarb eine schöne kuschelige Jacke. Dann liefen
wir durch einen beschissenen Wald zurück und hatten keine Peilung wo
wir waren. Im Zweifelsfall der Menschenmasse folgen! Als wir die
Hauptstraße runterliefen, wichen wir noch zwei Typen aus, die sich
anbrüllten und kurz vor einer Prügelei standen und kauften uns
überteuerte Getränke im nächsten Dönerladen.
Nach
Jahren habe ich es dann auch mal geschafft auf ein Linkin Park
Konzert zu gehen. Damit habe ich mir einen kleinen Traum erfüllt. Es
wird definitiv nicht mein letztes LP-Konzert gewesen sein. Ich wusste
ja, dass die Band live gut ist, aber das sie so extrem genial live
sind, war mir nicht klar. Großes Kompliment und ein Abend, an den
ich mich (auch ohne Handyvideos) noch viele, viele Jahrzehnte
erinnern werde.
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