Donnerstag, 31. Mai 2018

| Seriengedöhns | Tote Mädchen lügen nicht S1

Tote Mädchen lügen nicht


Staffel 1

Erscheinungsjahr: 2017
Originaltitel: 13 Reasons Why
Originalsprache: Englisch
Genre: Drama
Episodenanzahl: 13
Episodenlänge: ca. 50 bis 60 Minuten 
--> alle 13 Episoden sind auf Netflix verfügbar

"Tote Mädchen lügen nicht" basiert auf dem Buch "Tote Mädchen lügen nicht" aus dem Jahr 2007 von Jay Asher. Ja, ich habe das Buch gelesen. Das ist allerdings schon acht bis zehn Jahre her.
 

Handlung

 Hannah Baker hat sich das Leben genommen. Sie hat ihre Geschichte für die Nachwelt festgehalten, erklärt ihren Peinigern auf Kassetten wieso sie tat, was sie tat. Clay erhält die Kassetten, weiß jedoch nicht warum. Die erste Staffel folgt Clay dabei wie er die Kassetten anhört, während die Auswirkungen von Hannahs Suizid in der Gegenwart ihren Lauf nehmen.

Was ich mochte …

die Grundidee ich denke, es ist ein wirklich interessanter Blickwinkel diese Art von Geschichte zu erzählen. Schnell wird klar, dass wir die gesamte Geschichte nur aus Hannahs Sicht bzw. Clays perfekter Vorstellung von Hannah sehen. Und so ist es auch durchaus logisch, dass er ihr viel zu viel vergibt und akzeptiert. Hin und wieder tat mir der Junge einfach nur leid.
die unterschiedlichen Persönlichkeiten → jeder geht mit seiner „Schuld“ anders um. Es gibt manche die sagen, sie haben damit nichts zu tun, dass es Hannahs Entscheidung war. Es gibt manche, die durchaus einsehen, dass das was sie tun auswirken auf andere Personen hat. Auch dass es manche gibt, die unbedingt verhindern wollen, dass die Kassetten weiter gereicht werden, immerhin werden Straftaten geschildert. Ob man das moralisch vertreten kann, sei jetzt mal dahin gestellt, aber es hat durchaus seinen realistischen Bezug, dass jeder anders reagiert.
die Atmosphäre →Tote Mädchen lügen nicht“ ist atmosphärisch sehr dicht erzählt. Auch wenn es, vor allem in den ersten Folgen, immer mal wieder Durststrecken gibt, schafft die Atmosphäre es, dass man dran bleibt, dass man mitfiebert.
die Charaktere → jeder Charakter ist einzigartig. Hier geht es nicht um Sympathie oder Antipathie. Sie sind alle greifbare Charaktere mit unterschiedlichen Motiven und Charakterzügen. Dies wurde in der Serie sehr gut herausgearbeitet. Die unterschiedlichsten Facetten einer Persönlichkeit werden in Szene gesetzt. Selbstverständlich gibt es Charaktere, die in einem besseren Licht dastehen als andere, doch selbst für einige eher weniger nette Charaktere kann man Sympathie hegen.
grafische Szenen → Ja, ich gehöre tatsächlich zu der Minderheit, die die grafischen Szenen der Serie verteidigen. Ich sage nicht, dass man sich die angucken muss. Ich habe die erste Staffele erst vor kurzem mit meiner Schwester (26) geguckt. Sie hat sich bei zwei Szenen (Vergewaltigung) abgewendet, ich (23) nicht. Das hat einfach etwas mit dem persönlichen Empfinden zu tun, wie einen gewisse Szenen berühren. Dafür habe ich mich bei Hannahs Suizid hin und wieder für einen Augenblick abgewendet, während meine Schwester wie gebannt am TV hing und gesagt hat: „Wie das fließt! Krass!“
Man muss selbst wissen, ob man mit solchen Szenen klar kommt. Die Macher der Serie können nicht alles in Glitzerpuder einstreuen und hoffen, dass alle checken worum es geht. Sie wollen zeigen, wie es ist! Nämlich hässlich und schmerzhaft und kalt und ungerecht. Deswegen regt mich diese Debatte im Internet zu der letzten Folge der zweiten Staffel auch so auf.
Diese Serie ist nicht dazu gemacht worden damit wir alle bei einer Tasse Tee eine Krokodilsträne vergießen und die arme arme Hannah bemitleiden. Und wenn ich dann lese, dass ein 14-jähriger Teenager von der Vergewaltigungsszene eine Panikattacke bekommen hat, dann kann ich nur daran denken, dass VOR dem Beginn der Serie und VOR EINZELNEN EPISODEN ausdrücklich davor gewarnt wird. Es wird gesagt was passiert. Solche Warnungen gibt es äußerst selten bei Filmen/Serien. Die haben ihre Daseinsberechtigung. Jeder ist für sich selbst verantwortlich. „Tote Mädchen lügen nicht“ ist keine fucking Kinderserie. Es ist eine Serie für Erwachsene. Es ist eine Serie die ernsthafte Themen behandelt. Und das tut sie gut! Ein solch wichtiges Thema kann nicht weiterhin totgeschwiegen werden, nur weil manche Menschen der Meinung sind, dass gewisse Szenen, die bei ihnen Unbehagen auslösen, das auch bei anderen tun. Dann wendet euch ab oder guckt die Serie erst gar nicht.
Das Thema regt mich wirklich auf … die Menschen können sich Filme wie „Saw“ angucken, wo Menschen bei lebendigem Leib gehäutet werden und finden es geil und lachen drüber und veranstalten Trinkspiele zu solchen Filmen. Es wird gefeiert und im Kino gezeigt und bis ins Unermessliche gehypt, dass man mit dieser grottenschlechten Filmreihe ein ganzes Jahrzehnt gequält wird. Aber kaum geht es mal um Dinge, die viel zu oft passieren, wo man mal auf die Psyche blicken muss, heulen alle rum oder wie?
die Vielfalt → das ist mir tatsächlich erst durch „Tote Mädchen lügen nicht“ aufgefallen, aber wenn man andere Serien guckt, dann ist das mit der Vielfalt bezüglich Hautfarbe und Sexualität eher eintönig. Es gibt entweder einen schwulen/lesbischen Charakter oder einen schwarzen/asiatischen Charakter, die dann gerne mal ein Klischee erfüllen. Das ist in dieser Serie glücklicherweise nicht so. Beziehungsweise kenne ich keine andere Serie in der das so vielfältig/realistisch dargestellt wird.

Was mir nicht so gefallen hat …

Hannah → dieser Punkt fließt jedoch nicht wirklich in die Bewertung mit ein. Hannah wurde an sich als Charakter gut dargestellt; sie hat mich aber einfach nur aufgeregt. Anfangs mag man sie noch als armes Opfer sehen, doch spätestens ab Folge 4 habe ich mich von ihr entfernt. Was einfach daran liegt, dass ich so vieles anders gemacht hätte. Sie wird von Anfang an als offene Person dargestellt, die nicht auf den Mund gefallen ist und sagt, was sie denkt; und dennoch lässt sie verschiedene Dinge mit sich machen. Ich fand sie wirklich nur noch anstrengend und hysterisch. Sicherlich, die Ereignisse spitzen sich zu und ich kann die Leere und Hoffnungslosigkeit definitiv nachvollziehen. Jedoch, alles was vor Folge 9 passiert, war ein bisschen überdramatisiert. Hätte man Hannah als schüchternes, introvertiertes Mädchen eingeführt wäre das etwas anderes gewesen.
die Länge → damit meine ich die Länge der einzelnen Folgen. Hin und wieder war die Geschichte so in die Länge gezogen, dass Durststrecken aufkamen, obwohl es an sich genügend zu erzählen gab.
das Ende → es ist nicht wirklich schlecht oder negativ aufgefallen; jedoch empfand ich es als zu ruhig. Irgendwie hatte ich mir etwas Größeres erhofft, ein richtiger Knall der das Ende einläutet.
die Verschwiegenheit → Okay, es sind Teenager. Sie sollen alle Schuld am Suizid einer Mitschülerin haben. Sie haben alle etwas getan, was nicht gerade die feine englische Art war. Oder sind einfach abgefuckte, dämliche Psychopathen, die im Knast verrotten sollten (ihr wisst, wen ich meine). Manche haben vielleicht keinen guten Draht zu ihren Eltern, andere dafür umso mehr. Meine Fresse, Clays Mutter ist Anwältin! Wieso kommt keines dieser Kinder mal auf die Idee mit seinen Eltern zu reden? Mit 16/17 ist man eigentlich wieder in dem Alter, wo man gewisse Sachen durchaus mit seinen Eltern bespricht.
Ich fand dann den Gegensatz in der letzten Folge ziemlich gut, als Mr. Porter einfach eiskalt sofort seine Kassette abspielt. Das habe ich dann auch mit meiner Schwester besprochen und wir waren beide der Meinung, dass es interessant wäre zu sehen wie ein Erwachsener mit diesen Nachrichten umgeht. Der da anders rangeht und emotional auch nicht so sehr involviert ist.
Über die Hälfte der Ereignisse in der Gegenwart hätten verhindert oder abgemildert werden können, wenn eines von diesen Kindern mal seine Eltern informiert hätte.

Schlusswort


Ich finde „Tote Mädchen lügen nicht“ ist eine sehr gute Serie. Sie ist nicht perfekt, manchmal sind die Folgen zu lang. Der ein oder andere Kunstgriff hätte echt nicht sein müssen. Die Charaktere sind stellenweise furchtbar anstrengend und man kann ihre Motive einfach nicht nachvollziehen. Doch sie widmet sich einem Thema, welches wichtig ist, welches selbst heute noch, viel zu oft totgeschwiegen wird.
Die erste Staffel dieser Serie zu gucken ist anstrengend. Es ist emotional wirklich anstrengend und das muss sie auch sein. Damit sie Eindruck hinterlässt, damit man darüber nachdenkt, was man gerade gesehen hat. Damit man vielleicht sogar das ein oder andere auf sein Leben überträgt. Damit meine ich nicht das jemand Kassetten aufnehmen soll und anderen Leuten für seine Entscheidungen die Schuld gibt. Ich meine damit, dass man mal darüber nachdenken sollte, was die eigenen Handlungen für langfristige Auswirkungen auf andere Menschen haben kann.

Ich finde auch nicht, dass die Serie Suizid verherrlicht. Sie stellt ihn dar! Das ist ein Unterschied. Und wenn ich dann Zeilen in Kritiken lese wie: „Selbst beim Selbstmord ist Hannah noch strahlend schön …“ und das dann als unrealistisch und romantisierend eingestuft wird. Da kann ich mir nur an den Kopf fassen. Die Schauspielerin ist halt 'ne schöne Frau. Meine Güte, soll sie sich jetzt entstellen lassen, damit sie nicht mehr schön aussieht beim Selbstmord?

Ich rege mich schon wieder auf, deswegen werde ich das alles hier jetzt beenden.
Meiner Meinung nach ist „Tote Mädchen lügen nicht“ eine sehr gute Serie, mit wichtiger Botschaft und realistischer Umsetzung. Die Schauspieler sind gut bis sehr gut, die Problematik hätte ab und zu anders dargestellt werden können, doch es bewegt sich immer im Rahmen.
Vor allem ist die Serie nichts für Kinder oder Jugendliche. Es ist eine Serie für Erwachsene, mit Warnungen! Mehr können die nun wirklich nicht machen. 
  
 4,5/5 Sternen


 

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